Montag, 28. Juli 2008

Feinstaub-Urteil
Kommunen drohen mit Fahrverboten

Fahrer älterer Autos müssen nach dem Feinstaub-Urteil des Europäischen Gerichtshofs in immer mehr Städten mit Einschränkungen rechnen. Ab 2010 will etwa das Vorreiterland Berlin nur noch Fahrzeuge mit grüner Plakette in die City-Zone lassen, aber die mit den gelben und roten Plaketten wegen der erheblich schlechteren Euro-Normen nicht mehr. In Stuttgart und anderen Städten des Südwestens ist ein Ausschluss der Autos mit roten Plaketten von 2012 an geplant. Diese Fahrzeuge sind trotz hoher Rußpartikel-Belastung heute noch zufahrtsberechtigt.

Trotzdem kommt die Planung weiterer Umweltzonen zur Verringerung des krebserregenden Feinstaubs in Deutschland nur allmählich voran. Die Zahl der seit Jahresanfang in zwölf Städten eingeführten Zonen, die für Altwagen mit hohem Rußpartikel-Ausstoß tabu sind, dürfte in diesem Jahr auf mehr als 20 anwachsen. Nach Berlin, Köln, Hannover, Stuttgart und anderen Regionen werden zum 1. Oktober Frankfurt am Main, München und etliche Städte im Ruhrgebiet mit Umweltzonen hinzukommen. Das ist das Ergebnis einer dpa-Umfrage in den 16 Bundesländern und von Experten-Schätzungen.

Die Kommunen sind bei häufigen Überschreitungen der Feinstaub-Obergrenze zur Aufstellung von Aktionsplänen verpflichtet. EU-weit gilt ein Grenzwert von 50 Mikrogramm Feinstaub pro Kubikmeter Luft, der an höchstens 35 Tagen im Kalenderjahr überschritten werden darf. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte im Richterspruch vom vergangenen Freitag den Anwohnern hochbelasteter Stadtbereiche zugebilligt, solche Aktionspläne in ihren Kommunen einklagen und durchsetzen zu können. Das Gericht war damit der Klage eines juristisch von der Umwelthilfe betreuten Münchners gefolgt. Dabei muss der Grenzwert durch die Gegenmaßnahmen der Kommunen nicht sofort unterschritten werden, wohl aber langfristig.

Das Bundesumweltministerium begrüßte das den Anwohnern vom EuGH zugesprochene Recht, Kommunen mit übermäßiger Feinstaub-Belastung zum Handeln zu bewegen. Das "macht den Städten Druck, die die Hände in den Schoß legen", sagte ein Sprecher des Ministeriums. Baden-Württembergs Umweltministerin Tanja Gönner (CDU) erklärte: "Wir müssen schrittweise dazu kommen, die Vorgaben einzuhalten." In dem Bundesland wurden dieses Jahr bisher die meisten über Autoplaketten gesteuerten Umweltzonen eingerichtet.

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) bekräftigte die Absicht, mit weiteren Musterklagen die Umweltauflagen verschärft durchzusetzen. Dafür infrage kämen München, Stuttgart, aber auch Dortmund. Dort habe man an der Brackeler Straße trotz Überschreitung der zulässigen Feinstaubwerte bisher eine Umweltzone im Radius "von nur 100 Metern" eingerichtet, sagte DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch. Von Bund und Ländern forderte Resch ein Sonderförderprogramm zur Rußfilter-Nachrüstung auch für Leichttransporter. Handwerker und Kleingewerbe benötigten dringend Hilfe, um künftigen Fahrverboten zu entgehen.

Zu dem Förderprogramm für kleine Transporter bis 3,5 Tonnen sagte er, Handwerk und Kleingewerbe dürften im Vergleich zu den bisher rund 300.000 subventionierten Pkw-Fahrern bei der Filter-Nachrüstung nicht benachteiligt werden. Hier stecke ein großes Potenzial an Feinstaub-Reduktion. Finanziert werden solle es aus der "Altdiesel"-Strafsteuer für Pkw-Fahrer. Die Autoindustrie solle sich verpflichten, Neuwagen nur noch mit Filtern zu verkaufen. (dpa/rp)

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