Die Testfahrt zeigt: Opels Ampera, der zum Jahresende auf den Markt kommt, ist ein großer Wurf mit kleinen Schwächen. Er könnte eine neue und letzte Ära des Benzin-Automobils einläuten.
Die Zukunft des Automobils beginnt spätestens dann, wenn der Preis pro Liter Super den eines Rotweins mittlerer Qualität erreicht hat. Dann werden die herkömmlichen Autos weitgehend ausgestorben und ihre letzten Vertreter in der Hand einiger Besserverdiener sein, die sich gelegentlich noch den Luxus von Ausfahrten leisten. Und irgendwann wird das Erdöl dann ganz verbraucht sein.
Der Treibstoff der Zukunft kann nach heutigem Stand der Entwicklung nur Strom sein. Das ist das gemeinsame Dach, unter dem aller Hersteller forschen. Auch Opel arbeitet an verschiedenen Projekten: Dem reinen Elektroauto, das mit kompaktem Zuschnitt für die Stadt wohl 2014 auf den Markt kommen wird, und außerdem am Brennstoffzellen-Fahrzeug. Seit 2004 in Erprobung ist der Hydrogen4 – vor 2016 wäre die Nachfolgegeneration mit verbesserter Zelle (kleiner, leichter) kaum marktfähig. Und dass es irgendwann ein derartiges Auto tatsächlich zu kaufen gibt, bleibt zweifelhaft – weil es nach wie vor kein entsprechendes Tankstellennetz gibt.
Drittes Projekt ist der Ampera, der Ende des Jahres als Serienversion auf den deutschen Markt kommt. Wie fährt sich der Elektro-Wagen mit seinem zusätzlichen Verbrennungsmotor zur Verlängerung der Reichweite? Wir haben den Ampera rund um Opels Testzentrum in Dudenhofen bei Frankfurt probiert.
Was nun den Status von Studie und Experimentalauto verlässt und sich in die Niederungen des realen Marktes begibt, muss sich auch am Maßstab anderer Autos messen lassen. Der Ampera hat den Anspruch, kein eingeschränktes Ergänzungsvehikel zum Hauptauto einer Familie zu sein, sondern vollwertig alle automobilen Bedürfnisse abzudecken.
Und das tut der Wagen: Auf rund 4,50 Meter Außenlänge finden vier Passagiere samt Gepäck nicht üppig, aber ordentlich Platz. Erfreulich für die Fond-Passagiere: Entsprechende Aussparungen im Himmel verhindern den Kopf-Kontakt mit dem Dach trotz aerodynamisch gekrümmter Dachlinie. Dass im Fond nicht mehr als Platz für Zwei ist, liegt am Fahrzeugkonzept: Der große, T-förmige Akku verhindert eine durchgehende Sitzbank. Nachteilig ist das nicht – die beiden Einzelsitze (umlegbare Lehnen) sind dadurch ein wenig auseinandergerückt, was durchaus luftigen Komfort bedeutet. Der Knieraum ist für die Fahrzeuggröße durchschnittlich.
Schlechte Übersichtlichkeit
Der Kofferraum soll rund 300 Liter fassen, wirkt allerdings subjektiv größer. Das mag auch an der sehr langen, schräg abfallenden Heckklappe liegen. Die Ladekante ist, wie leider bei vielen modernen Autos, viel zu hoch. Um bei der Kritik zu bleiben: Der Wagen ist insgesamt unübersichtlich, weil der Ampera einen wuchtigen, hohen Vorderwagen hat, der gut zu einem SUV passen würde, und gleichzeitig nur eine moderate Gesamthöhe erreicht. Die Folge: Das effektive Sichtfeld durch die Frontscheibe ist limitiert. Außerdem steht sie – aerodynamisch gewollt – extrem flach. Das hat langgezogene A-Säulen zur Folge, die den Blick nach schräg vorne einschränken, was vor allem beim Abbiegen oder bei Kurvenfahrt stört.
Auch wenn der Ampera in erster Linie über die Technologie kommt und im Ursprung ja ein Chevrolet Volt ist: An der Qualität des Innenraums sollte Opel noch feilen. Das trifft für die konkrete Verarbeitungsqualität zu, die noch deutlich den Vorserienstand zeigt, aber auch die verwendeten Materialien. Überall nur Hartplastik-Oberflächen sind möglicherweise nicht ganz das, was sich der Käufer angesichts des happigen Preises erwartet.
Vertraute Bedienelemente, zusätzliche Displays
Davon abgesehen stammen Lenkrad und viele Bedienelemente wie Lenkstockhebel, Schalter etc. aus dem GM-Baukasten und finden sich auch in anderen Konzern-Modellen. Dass der Ampera die Technik der Zukunft trägt, merkt der Fahrer nur am Fehlen klassischer Rundinstrumente für Drehzahl oder Tempo. Stattdessen informiert ein großes Farbdisplay über elektrische Restreichweite und alle anderen Parameter, die Opel für wichtig hält. Ein zusätzliches Touch-Screen-Display in der Mitte zeigt die Energieflüsse im Auto – das kennt man von herkömmlichen Hybridautos.
Den finalen Ausstattungsumfang hat Opel noch nicht benannt. Erfreulicherweise aber wird wohl eine Standheizungsfunktion dazugehören: Hängt der Wagen zum Laden an der Steckdose, kann er über den Fahrzeugschlüssel programmiert werden. Im Winter darf sich der Fahrer dann über einen bereits erwärmten Innenraum und eisfreie Scheiben freuen. Die Energie dazu kommt nicht aus Tank oder Batterie, sondern aus der Steckdose.
Das Fahren im Ampera funktioniert nicht anders als in konventionellen Fahrzeugen: Wählhebel von Parken auf Fahrbetrieb, Gaspedal streicheln – und der Opel setzt sich in Bewegung. Nur tut er das weitgehend lautlos, denn der 110 Kilowatt (151 PS) starke Haupt-Elektromotor gibt nur ein tiefes und eher dezentes, kraftvolles Brummen von sich – ein bisschen wie eine Bergbahn, wenn die große Kabine das Häuschen verlässt.
Satte 370 Nm, quasi linear anliegende Newtonmeter motorisieren den Ampera souverän. Ein Defizit an Leistung spürt man nicht. Stattdessen darf sich der Fahrer einer ausgesprochen leichten Art der Fortbewegung hingeben: Da stören keine Arbeitsgeräusche eines herkömmlichen Verbrenners oder das kurze Schütteln bei Autos mit Start-Stopp-Automatik. Nebenbei: Autointeressierten werden ein neues Vokabular zur Beschreibung des Fahrens benutzen und ihren tradierten Wortschatz einmotten müssen. „Dröhnig“, „angestrengt“ oder sonstwie klingt die E-Maschine grundsätzlich nie und selbstverständlich vibriert auch nichts.
Benziner schaltet sich ruckfrei zu
Dieser Zustand reiner und ziemlich perfekter Elektro-Fortbewegung, bei Bedarf übrigens in 9,2 Sekunden bis Tempo 100 und maximal 161 km/h schnell, endet je nach Fahrweise, Temperatur und Zahl der zugeschalteten Verbraucher nach 40 bis 80 Kilometern. Dann ist die Lithium-Batterie mit ihren 16 Kilowattstunden, von denen zu Gunsten einer halbwegs langen Lebensdauer nur etwa die Hälfte entnommen wird, zunächst erschöpft. Es schaltet sich dann, ruckfrei und unmerklich, der 85-PS-Verbrenner (1,4-Liter Vierzylinder) hinzu.
Ab diesem Zeitpunkt fährt sich der Ampera subjektiv wie ein Hybridfahrzeug, auch wenn technisch deutlich mehr passiert: Über ein Planetengetriebe treibt der Verbrenner den zweiten E-Motor (73 PS) an, der im reinen Elektrobetrieb bisweilen den Hauptmotor unterstützt und nach Erschöpfen der Batterie als Generator dient. Die Antriebsleistung des Vierzylinders jedenfalls produziert auf diese Art den nötigen Saft für seinen großen Bruder. Ein Teil der Antriebsleistung wirkt über das Planetengetriebe letztlich auch auf die Räder, weswegen bereits mancher Kritiker dem Ampera sein Etikett als Elektroauto abspenstig machen wollte. Was nicht nur aus Sicht von Opel eine sinnlose Phantasiediskussion ist. Jedenfalls lädt der Generator auch – marginal – die Batterie, was etwa ein Anfahren per E-Motor ermöglicht.
500 Kilometer Reichweite im Benzin-Betrieb
Die Übergänge zwischen den einzelnen Modi bekommt der Fahrer nicht zwangsläufig mit. Beim Mitschwimmen im Verkehr unter Vermeidung exzessiver Beschleunigungsorgien bleibt auch der Benziner akustisch dezent. Das mag bei Dauervollgas auf der Autobahn, was wir bei unserer Testfahrt nicht probiert haben, eventuell anders sein.
Opel hat noch nicht benannt, wie viel der Ampera im Benzinbetrieb verbrauchen wird. Es dürfte wohl deutlich weniger sein als die rechnerischen sieben Liter, die sich aus 35-Liter-Tank und einer offiziellen Reichweite von 500 Kilometern errechnen würden.
Die Batterie benötigt etwa vier Stunden zur Ladung an der normalen 220-Volt-Steckdose. Opel garantiert eine Lebensdauer von acht Jahren oder 160 000 Kilometern bei überschaubarer Abnahme von Kapazität und Reichweite. Einzelne Blöcke der Batterie, die aus insgesamt 288 Zellen besteht, sollen austauschbar sein. Die Zellen stammen von einem südkoreanischen Zulieferer, fertig montiert werden sie in Michigan. Prinzipiell funktioniert der Ampera auch bei deutlichen Minusgraden und hohen Sommertemperaturen, entsprechende Tests im winterlichen Kanada und im amerikanischen Death Valley hat der Stromtank überstanden. Ein eigenes Kühl/Heizungs-System hält den Speicher in einem akzeptablen Temperaturfenster.
Untadeliges Fahrverhalten
Der Ampera fährt im Übrigen ordentlich, die Kurvenlage ist stabil, das Einlenken spontan. Möglicherweise hilft dabei sogar der schwere Akku mit. Der bündelt seine 180 Kilogramm mehr oder weniger im Fahrzeugmittelpunkt und ist zudem weit unten montiert – ideal für Fahrdynamiker. Etwas gewöhnungsbedürftig ist das Bremsen, weil beim Tritt aufs Pedal zunächst nur elelektrischer Widerstand (Rekuperation) erzeugt wird. Das fühlt sich im Vergleich zur echten mechanischen Bremse etwas synthetisch an. Erst bei massivem Druck legen sich die Klötze an die Bremsscheiben und das gewohnte Gefühl stellt sich ein.
Opel ruft 42 900 Euro als Grundpreis für den Ampera auf. Das ist, in den Preiskategorien konventioneller Fahrzeuge gedacht, extrem teuer. So kostet der in der Kraftentfaltung in etwa vergleichbare Astra mit 1,4-Liter-Turbo (9,5 Sekunden bis 100 km/h) mit 19 500 Euro weniger als die Hälfte – eine Differenz, die man nach heutigem Stand der Benzinpreise natürlich selbst in einem langen Autoleben nicht einspart. Andererseits kostet auch ein Mitsubishi i-MiEV schon 34 400 Euro – ein reines E-Mobil ohne Reichweiten-steigernden Verbrenner, zudem mit 3,50 Metern und asiatischem Kleinstwagen-Design eher kein vollwertiges Auto nach Lesart deutscher Käufer.
Außerdem gibt es Faktoren, die sich nicht in Euro und Cent berechnen lassen. Nachfragen werden den Ampera wohl Flottenkunden, die das Auto als Imageträger für die eigene Markenbotschaft gut gebrauchen können. Und Privatleute, die am Status des „Early Adopters“, der schon heute die Zukunft repräsentiert, Gefallen finden.
n diesem Sinne ist der Ampera so etwas wie Opels iPhone für die Straße: Als Apple 1997 die erste Generation seines Smartphones präsentierte, war dessen Kombination aus Eigenschaften und Bedienung einmalig und revolutionierte den Markt.
Plus:
+kräftiger, spontaner Antritt
+besonders leise Fahrgeräusche
+unmerkliche Übergänge zwischen den Fahrmodi
+gute Platzverhältnisse im Fond+
+derzeit einziges Fahrzeug in der Kombination aus E-Modus und Verbrenner
Minus:
-im Vergleich zu konventionellen Autos extrem hoher Preis
-Abstriche bei der Materialanmutung (Hartplastik)
-besonders unübersichtlicher Vorderwagen
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