Dienstag, 7. Juni 2011

35. GTI-Treffen am Wörthersee: Ewig ruft der See – und keinesfalls still und starr

Das jährliche GTI-Treffen am Wörthersee ist ein Event der besonderen Art und wäre mit der Formel „Blech, Bier und Busen“ nur annähernd richtig beschrieben. Allerdings verliert die Veranstaltung zunehmend an Ursprünglichkeit, seit die Wolfsburger Marketingstrategen das Event für ihre Interessen nutzen.
Der kleine Ort am Südufer des Wörthersees mag manch eingefleischten Kärnten-Urlaubern ein Begriff sein. Den meisten Touristen sagt er eher weniger. Außer, sie zählen zur gewaltigen Fangemeinde des VW-Kultautos GTI. Der feiert in diesem Jahr seinen 35. Geburtstag und macht das seit 30 Jahren stattfindende GTI-Treffen im ansonsten eher beschaulichen Reifnitz zu einer wilden Jubiläumsparty.

Zehntausende huldigen den drei Buchstaben


Mehrere zehntausend Besucher haben sich nach Angaben der Polizei eingefunden. DieOrdnungshüter sind stets präsent, wenn auch nicht dominant. Rund um das Stadtzentrum am Seeufer, das nun für kurze Zeit um einige Pavillons bereichert wurde, gehen die GTI-Freunde auf den Laufsteg. Im Schritttempo führen sie ihre mehr oder weniger geschmackvoll hergerichteten GTIs, Polos und mittlerweile auch andere Fabrikate der Konzernmarken dem Publikum vor. Rauf geht es die Seenstraße, dann rechts weg in den Lindenweg und wieder rechts die Wörthersee-Südufer-Straße entlang. Fünf Runden würde man noch schaffen, sagt Marius aus Dresden, drei hat er schon hinter sich.

Gesäumt ist die Flaniermeile von Schaulustigen, Grillbuden, Bierständen und Zubehör-Anbietern. Ganze Zeltstädte haben diese aufgebaut und halten schrille An- und Einbauteile feil. Hoch im Kurs stehen Nachrüstsätze für LED-Tagfahrlicht. Aber auch chromglänzende Auspuffrohre im Ofenrohrformat werden gerne genommen. Und natürlich Musikanlagen für den Wummer-Sound im Auto, der artfremde Autofahrer an Ampeln oder Anlieger in der Stadt so nerven kann. „1200 Watt brauchst Du schon, wenn´s wirklich krachen soll“, doziert Peter aus Luzern. Aber auch die doppelte Leistung wird angeboten, dazu natürlich Lautsprecher, die fast die Größe einer Kesselpauke haben können. Die Zubehör- und Tuning Palette reicht von Flügeltüren für Golf oder Polo bis hin zu kompletten Fahrwerkssätzen. Je breiter die Reifen, desto geringer der Federweg, lautet die Formel für GTI-Fans.

Das Treffen als eigene Marke


An anderer Stelle finden sich Accessoires wie Aufkleber oder T-Shirts mit Aufschriften wie „Der See ruft“ oder „Reifnitz 2011 – ich war dabei“. Aber auch der schwer zu entziffernde Hinweis „WenndudasliestglotzeichdiraufdieBrüste“ ist zu lesen, wenngleich ein anderes Wort für Brüste benutzt wird. Die spielen beim GTI-Treff ohnehin eine wichtige Rolle und rangieren gleich hinter dem verehrten Blech. Die Damen der Fanschar – ob als Begleiterin des GTI-Fahrers oder selbst im Besitz des Wolfsburger Erfolgsmodells – haben sich höchst sexy herausgeputzt, zeigen Tätowierungen, Piercings, Dekolleté und sehr viel Haut auf hohen Absätzen. Der Betrachter ist sich nicht ganz sicher, ob der Mut manchen Mädels dabei zu Bewundern oder eher zu Bemitleiden ist.

VW-Schwestermarken sind auch dabei

Dabei hat VW das GTI-Treffen in den vergangenen Jahren durchaus schon kultiviert, vor allem als wirksames Marketing-Instrument nicht nur für die Muttergesellschaft entdeckt. Audi, Seat und Skoda sind ebenfalls mit großen und aufwendigen Pavillons vertreten und bieten auf deren Bühnen eine Show nach der anderen. Die größte war natürlich bei VW zu bewundern, inklusive einer Prämierung der vermeintlich schönsten Teilnehmer-Fahrzeuge. Führend war Sergeji aus der Ukraine mit seinem grell-orangefarbenen GTI und einer Anreisestrecke von 1500 Kilometern. Der Fahrer selbst trägt einen farblich passenden Anzug und hohen Zylinder.

Die Attraktion der Show war jedoch die Verlosung eines neuen GTI, den es als Edition 35 mit jeder Menge Zubehör und 19-Zoll-Rädern zu gewinnen gab. Andy aus Essen stürmt auf die Bühne, wo Konzern-Chef Martin Winterkorn samt Moderator und Notar auf ihn warten. Aber der Bub kann sich nicht ausweisen. Der „Perso“ sei im Auto, und das irgendwo außerhalb von Reifnitz geparkt. Zehn Minuten gibt ihm die Jury, um den Ausweis herbeizuschaffen und der nicht ganz schlanke Andy rast los. Ist elf Minuten später zurück und taumelt am Rande eines Zusammenbruchs aber unendlich glücklich in die Arme der Juroren.

Die Tageshitze weicht am Abend einem weichen Kärntner Landregen, die normalen Zuschauer und Zaungäste flüchten in ihre Hotels. Der harte Kern der Fangemeinde feiert unbeeindruckt und umso wilder weiter. Die Beats aus den Lautsprechern sind weit über das Morgengrauen hinaus bis zum anderen Seeufer zu hören. Dann herrscht für wenige Stunden Ruhe und schwere Köpfe werden müde gehalten. Beim GTI-Treffen im nächsten Jahr wollen trotzdem alle wieder dabei sein.

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