Wenn Volkswagen einen neuen Golf auf den Markt bringt, hält nicht nur die europäische Automobilwelt den Atem an. Klassenübergreifend blicken nahezu alle nach Wolfsburg, denn seit über 30 Jahren zeigt der Golf der ambitionierten Konkurrenz die Rückleuchten. Mit mehr als 26 Millionen verkauften Golf-Modellen sind die Generationen eins bis fünf Europas erfolgreichstes Auto. «Wertiger denn je, definiert die nun sechste Golf-Generation das Qualitäts- und Komfortniveau seiner Klasse in weiten Teilen völlig neu», sagt Martin Winterkorn, Vorstandsvorsitzender von Volkswagen, nicht ohne Stolz über das Aushängeschild der Kompaktklasse.
Treue Kunden nicht vergraulen
Wie man es bereits von anderen Golf-Generationswechseln kannte, hat sich das Design der sechsten Generation kaum verändert. Grundform und Proportionen blieben trotz zahlreicher Veränderungen weitgehend gleich. Leichte optische Anleihen an die deutlich emotionaler gezeichneten Modelle Passat CC und besonders Scirocco sind gewollt und sollen den Charme der Marke schärfen. «Wir kennen unsere Golf-Kunden. Gerade beim Kernmodell darf man da nicht zu viel riskieren. Sonst vergrault man die treuen Käufer. Und davon gibt es eine ganze Menge», ließ ein VW-Verantwortlicher hinter vorgehaltener Hand jüngst verlauten.
Beim neuen Golf darf VW nichts anbrennen lassen. Die auslaufende Generation blieb bei den weltweiten Verkäufen trotz allen Erfolges deutlich hinter den Erwartungen zurück. Trotz unbestrittener Qualitäten wurden die Kapazitäten bereits vor Jahren zurückgefahren und mehr denn je musste sich der Golf V dem harten Preiskampf in der Kompaktklasse stellen. So kommt die Generation sechs dann auch ungewöhnlich früh auf den Markt - nur gut fünf Jahre nach der Weltpremiere des Vorgängers.
Kernelemente in neuer Form
Die erste Golf-Generation wurde ab 1974 mehr als neun Jahre produziert; die nachfolgenden Generationen mindestens sechs Jahre. Wer dem neuen Golf erstmals in die Doppelscheinwerfer schaut, wird als erstes eines sehen: einen typischen Golf - mit unspektakulären, aber gefälligen Formen. So wird sich die geneigte Kundschaft auch zukünftig kaum an den neuen, etwas düsterer dreinblickenden Frontscheinwerfern, der neu gestylten und etwas breiter wirkenden Heckpartie oder der kräftigeren Schulter reiben. Der Golf VI wirkt dabei kraftvoller als bisher ohne die allzu oft überzeichnete Sportlichkeit einiger Kompaktklassekonkurrenten zu übernehmen.
«Wir haben die Kernelemente des Golf in eine präzise, neue Form gegossen», erklärt Chefdesigner Walter de Silva, «er ist akzentuierter, dreidimensionaler als seine Vorgänger; mit exakt definierten Linien und Kanten, mit fein proportionierten Wölbungen und Hohlkehlen.» Klaus Bischoff, Chefdesigner der Marke Volkswagen, ergänzt: «Jedes Detail ist kompromisslos darauf ausgerichtet, die Wertigkeit zu verbessern.»
Konkurrenzkampf drückt Preis
Das merkt man besonders dem Innenraum an. Bis jetzt war der Golf zwischen Armaturenbrett und Heckablage Referenzklasse - das wird im gleichen Stile auch so bleiben. Auffälligste Veränderungen sind tiefe Instrumentenhöhlen und das neue Multifunktionslenkrad. Festplatten-Navigationssystem und die Klimabedienung kennt man bereits von anderen VW-Modellen.
Nicht viel ändern wird sich auch am Preis. Dazu ist der Konkurrenzkampf zu stark. Im Vergleich zum aktuellen Basismodell VW Golf 1.4 mit 80 PS (ab 16.300 Euro) beginnt der neue Golf mit modifiziertem 80-PS-Triebwerk bei 16.500 Euro. Innovative Antriebstechnologien senken die Verbrauchswerte um bis zu 28 Prozent. Alle Benziner und Diesel erfüllen die Grenzwerte der zukünftig geltenden EU-5-Norm.
Ein Hauch von Mittelklasse
Assistenzsysteme wie ein Abstandstempomat, eine adaptive Fahrwerksregelung und die automatische Einparkhilfe «Park Assist» bringen einen Hauch Mittelklasse in den Golf. Für Sicherheit sorgen unter anderem ein im Regelbereich feiner ansprechendes ESP, sieben Airbags inklusive Knieairbag und ein serienmäßiges Tagfahrlicht.
Zunächst soll der VW Golf mit Dieseltriebwerken zwischen 66 kW/90 PS und 125 kW/170 PS auf den Markt kommen. Der erwartete Volumendiesel mit 110 PS soll sich dabei mit 4,5 Litern Kraftstoff auf 100 Kilometern zufrieden geben. Auf Sparsamkeit setzen auch die Benziner, die - zunächst zwischen 80 und 160 PS stark - allesamt weniger als 6,5 Liter Super verbrauchen. Allrad- und Hybridversionen sowie das beliebte Sportmodell Golf GTI werden ebenso folgen wie eine allradgetriebene R-Version mit mindestens 300 PS.
Weltpremiere in Paris
Neben einem verbesserten Fahrkomfort und effiziente Triebwerke wurde besonders viel Wert auf ein geringes Geräuschniveau gelegt. Eine spezielle Dämpfungsfolie in der Frontscheibe soll die Fahrgeräusche ebenso reduzieren wie ein neues Dichtungskonzept bei Türen und Seitenscheibenführungen. Darüber hinaus wurden der Motor- und Fahrgastraum durch gezielte Maßnahmen akustisch besser voneinander isoliert.
Die europäische Markteinführung des neuen VW Golf wird nach der Weltpremiere auf dem Pariser Salon im Oktober beginnen. Danach folgen Afrika, Asien, Australien und Nordamerika. Mit der Einführung des neuen Golf VI scheint nach drei Jahrzehnten auch das Ende des ewigen Dauerläufers Golf I besiegelt. Der wird in Südafrika in nahezu unveränderter Form der späten 70er Jahre bis heute als Citi Golf produziert und verkauft.
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